Brätz (Westpreußen)

 Bildergebnis für Kreis Tirschtiegel Bild:Karte_Kreis_Meseritz.png Brätz – erstmals 1319 urkundlich erwähnt, seit 1793 preußisch - war eine Ortschaft im Kreis Tirschtiegel; es ist das heutige polnische Brójce mit derzeit ca. 1.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org  und  Kartenskizze des ehem. Kreises Tirschtiegel, aus: wiki-de.genealogy.net/Kreis_Meseritz).

 

Ende der 1730er Jahre sind erstmals Juden im Dorf Brätz, auch Bratz (poln. Brójce) genannt; eine festgelegte Zahl von Familien erhielt hier das Privileg, mit Gewürzen, Tabak, Wolle und Tuchen zu handeln. Dazu äußerte sich der hiesige evangelische Pfarrer (1739): „Ich denke mit Bedauern daran, dass die Juden Ende 1738 und Anfang 1739 in die Stadt gelassen wurden und sie jetzt königliche Privilegien haben! Daher kommt jetzt ein Unglück auf uns zu. Gott erbarme Dich unserer guten Stadt und gib uns viele fleißige Gläubige, die das Unglück aufhalten werden, und sie werden um Frieden beten“. Für die den zugezogenen Juden gewährten Zugeständnisse waren jeweils bestimmte Gebühren und Abgaben zu entrichten.

Bis Anfang des 19.Jahrhunderts lebten die jüdischen Familien ghettoartig am Rande des Ortes, ehe ihnen dann erlaubt worden war, auch im Ortskern sich niederzulassen. Bis in die erste Hälfte des 19.Jahrhunderts betätigten sich die Juden aus Brätz hauptsächlich mit dem Handel von Wolle; später gab es hier zahlreiche Schneider und Kürschner.

Bereits vor 1800 hatte die jüdische Gemeinschaft eine Synagoge eingerichtet, die an der Straßenkreuzung von Meseritzer und Kirchhofstraße sich befand. Eine kleine Schule entstand wohl erst in den 1830er Jahren.

Zu Beginn ihrer Ansiedlung - also Ende der 1730er Jahre - hatten die Juden ein Stück Land zur Anlage eines Friedhofs erhalten; es lag ca. einen Kilometer vom Ortsrand entfernt an der Landstraße nach Altenhof.

Cmentarz żydowski w Brójcach.jpgAufn. Lukasz Świerczewski 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0

Juden in Brätz:

--- 1765 ..........................  55 Juden,

--- 1793 ..........................  85   “  ,

--- 1840 .......................... 209   “  (ca. 12% d.Bevölk.),

--- 1846 .......................... 188   “  ,

--- 1857 .......................... 150   “  ,

--- 1871 ..........................  81   “  ,

--- 1890 ..........................  46   “  ,

--- 1895 ..........................   5   “  ,

--- 1900 .......................... eine Jüdin.

Angaben aus: Brojca, in: sztetl.org.pl

       Brätz - hist. Postkarte (aus: heimatkreis-meseritz.de)

 

Die Brätzer israelitische Gemeinde erreichte gegen Mitte des 19. Jahrhunderts ihren zahlenmäßigen Höhepunkt; ihre Angehörigen machten damals immerhin ca. 12% der Bevölkerung aus. Die Abwanderung in größere städtische Zentren führte schließlich 1889 zur Auflösung der jüdischen Gemeinde. Die Nachbargemeinde in Tirschtiegel übernahm die gemeindlichen Einrichtungen. Das Synagogengebäude sollte damals der Kommune übertragen werden; als Gegenleistung war die Erneuerung der Mauer des jüdischen Friedhofs im Gespräch. Doch dieses „Geschäft“ kam nicht zustande; das längst aufgegebene Synagogengebäude blieb lange Jahre unbenutzt und verfiel; erst später (?) wurde es von der Kommune übernommen und zu Wohnzwecken umgebaut.

Nur wenige erhalten gebliebene Grabsteine und diverse -relikte in einem Kiefernwäldchen erinnern heute noch an die jüdische Geschichte des Ortes. Ein 2014 hier aufgestellter Gedenkstein weist neben einer dreisprachig abgefassten Informationstafel auf die ehemalige, fast völlig in Vergessenheit geratene Begräbnisstätte hin hin.

  verwahrlostes Begräbnisgelände (Aufn. Tomasz Nowak, 2014, aus: kirkuty.xip.pl)

 

Grabsteine vom Brojcer jüdischen Friedhof (Aufn. Andrzej Kirmiel, aus: sztetl.org.pl)

 

Anmerkung: 1940 kamen Zwangsarbeiter – darunter auch zahlreiche jüdische Männer aus dem Ghetto Litzmannstadt – in die Region von Brätz, wo diese auf einer Baustelle der Reichsautobahn Berlin – Posen eingesetzt und hier in einem Lager untergebracht waren. Danach wurde dieses Zwangsarbeitslager in ein „Arbeitserziehungslager“ sowie ein Polizeigefängnis für Männer und Frauen (aus ganz Europa) umgewandelt. Von den insgesamt ca. 10.000 hier inhaftierten Personen ist jede vierte auf Grund der hier herrschenden Lebens- u. Arbeitsbedingungen ums Leben gekommen.

 

 

 

Weitere Informationen:

Heppner/Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinden in den Posener Landen, Bromberg 1909, S. 321 f. (Brätz)

Walther Hämpel, Heimatbuch von Brätz 1428–1928. Zur Jubelfeier des 500jährigen Bestehens des Ortes, Brätz 1928

Martin Sprungala, Die Juden in Polen. Jüdisches Leben in Brätz, in: „Heimatgruß“- Zeitschrift für Mitglieder und Freunde des Heimatkreises Meseritz e.V. und der Heimatkreisgemeinschaft Birnbaum, No.. 189/2009

Andrzej Kirmiel (Bearb.), Brojce, in: sztetl.org.pl

Isabelle Schlüter (Bearb.), Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Bróje (Brätz) in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Polen auf den Gebieten der ehemaligen Provinz Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/ (2021)